1.1 Ziele eines Höhentrainingslagers
Das primäre Ziel eines Höhentrainingslagers ist eine Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Auf der einen Seite wird eine solche in der Wettkampfvorbereitung genutzt – hier z.T. auch für Wettkämpfe in Höhenlagen, die klassische Begründung einer solchen Maßnahme. Weitere Anpassungen lassen sich auch auf der anaeroben Stoffwechselebene und der repeated Sprint Ability finden. Auf der anderen Seite kann eine erhöhte Leistungsfähigkeit auch dafür verwendet werden, auf einem höheren Niveau das nachfolgende Training zu gestalten. Dieser Ansatz wird vor allem im Kontext von Höhentrainingslagerketten (die Aneinanderreihung von mehreren Höhentrainingslagern im geplanten Abstand) umgesetzt. Im Mittel lässt sich durch ein entsprechendes Training in Höhenexposition ein Leistungszuwachs von 1-1,5% erwarten (dies würde bei einer Belastungsdauer von 15 Minuten eine Zeitersparnis von ca. 13 Sekunden bedeuten). Auf individueller Ebene lassen sich sowohl höhere, als eben auch niedrigere Zuwächse oder Minderungen beobachten. Somit kann per se keine Empfehlung an jeden Sportler für ein Höhentrainingslager gegeben werden. Der geringe mittlere Leistungszuwachs resultiert in Studien häufig darin, dass keine statistisch signifikante Verbesserung erzielt wird. Dies wird in der Folge dann häufig als Gegenargument im Kontext von Höhentrainingslagern verwendet. Hier muss allerdings der Hinweis gegeben werden, dass in leistungssportlichen Studien eine Veränderung von ca. 1% als Mindestmaß für eine Veränderung angesehen und somit in den meisten Höhenstudien erzielt wird.
1.2 Physiologischer Hintergrund
Die Sauerstoffkonzentration in der Umgebungsluft ist auf Meereshöhe genauso hoch wie auf über 8.800m (Mount Everest). Warum spricht man nun trotzdem von „dünner Luft“, in der weniger Sauerstoff zur Verfügung steht? Die Antwort liegt hier im Luftdruck, der in einem verringerten Sauerstoffpartialdruck resultiert. Dadurch wird auch der Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut vermindert, wodurch wiederum die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes sinkt. Der Körper reagiert darauf, ausgehend von den Nieren, bereits nach wenigen Stunden mit einer erhöhten Produktion und Ausschüttung des körpereigenen Hormons Erythropoietin (EPO). Durch EPO kommt es dann zur Neubildung von Retikulozyten (junge bzw. unreife Erythrozyten – die roten Blutkörperchen), wodurch es dann zu einem Anstieg der Erythrozyten-Anzahl und der Hämoglobinmasse kommen soll. Dies ist von der Stärke des hypoxischen Reizes, also von der Aufenthaltsdauer und -höhe, der Trainingshöhe (bei LHTL), dem Depot-Eisen (Ferritin) und der Art der Hypoxie (normobar oder hypobar) abhängig. Durch die verminderte Sauerstoffverfügbarkeit wird die aerobe Leistungsfähigkeit im Sinne der VO2max pro 100 Meter ab einer Höhe von 1.500 Metern akut um 1% reduziert. Somit wird auch die Leistung im niedrig intensiven Bereich herabgesetzt. Neben den hämatologischen (Anpassungen auf Blutebene) Veränderungen lassen sich auch positive Anpassungen auf der Ebene der Bewegungsökonomie (Sauerstoffverbrauch bei gegebener Belastung) und der Pufferkapazität (pH Regulation und zellulär) des Körpers beobachten. Die Steigerung der absoluten Kapazität des Sauerstofftransports auf hämatologischer Ebene geschieht durch eine Steigerung der Hämoglobinmasse von 3-5%. Somit wird die mögliche Leistungssteigerung von 1-1,5% durch mehrere Faktoren bestimmt und z.B. so eine Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme von ca. 3% erzielt.
1.3 Voraussetzungen, Fragestellungen & Sportarten
Eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme an einem Höhentrainingslager ist die Gesundheit der Athleten. Sollten hier Einschränkungen (z.B. ein Infekt) vorliegen, sollte von einer Teilnahme abgesehen werden. So sollte im Vorfeld eine separate Konsultierung des medizinischen Personals stattfinden.
Eine zentrale Fragestellung für die Teilnahme ist, ob die Leistung in der Zielsportart durch eine Teilnahme an einem Höhentrainingslager gesteigert werden kann. Wie hoch ist also der Einfluss des aeroben Energiestoffwechsels in der Sportart und muss für eine weitere Steigerung der aeroben Kapazität ein Höhenaufenthalt auf sich genommen werden? Lassen sich auch alternative Maßnahmen zur Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit finden? Vor allem Sportarten mit einem hohen Anteil des anaeroben Stoffwechsels, also hoch intensiven Inhalten, sollten genauer analysiert werden, weil so unter Umständen in der Höhe keine adäquaten Trainingsintensitäten erzielt werden können (s.u.). Besonders in der langfristigen Planung im Trainingsprozess eines Athleten sollte der Einsatz von Höhenmaßnahmen sinnvoll datiert und eingesetzt werden. So kann eine Testphase in der post-olympischen Phase (1-2 Jahre nach den Olympischen Spielen) ohne negative Einschränkung auf die Teilnahmen an nationalen oder kontinentalen Meisterschaften erprobt werden. Im weiteren Verlauf bzw. in der mittelfristigen Vorbereitung und ganz speziell im Qualifikationszeitraum vor den Olympischen Spielen, sollte die Testphase beendet und die Sinnhaftigkeit sowie eine individuelle Ausrichtung der Maßnahmen erfüllt sein.
1.4 Höhentrainingsformen
In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche Höhentrainingsformen entwickelt und erforscht. Dies sollen im Folgenden dargestellt und erläutert werden.
1.4.1 Live High – Train High
Dies stellt die klassische Form des Höhentrainings dar und wurde im Vorfeld der Olympischen Spiele in Mexiko (2250m) zum ersten Mal vertiefend untersucht, um eine Höhenanpassung an die örtlichen Gegebenheiten während der Spiele zu ermöglichen und optimieren. Es wird auf derselben Höhe trainiert wie gelebt wird. Somit müssen vor Ort entsprechende infrastrukturelle und topografische Gegebenheiten vorliegen, um z.B. Schwimmtraining oder entsprechend lange Dauerläufe oder Radtrainings durchführen zu können. Seit den Spielen in Mexiko hat sich diese Form etabliert und wird auf Höhen zwischen 1.500 und 2.500m praktiziert, wobei Höhen von 1.800 bis 2.200m bevorzugt werden, da bei einer weiteren Steigerung der Höhenexposition die Trainingsintensität zu stark reduziert werden muss, um Überlastungen zu vermeiden, bei gleichzeitiger geringer muskulärer Beanspruchung. Dies muss allerdings auch im Kontext des Anforderungsprofils der Sportart, der Trainingsphase und der eigentlichen Zielstellung der Höhenmaßname betrachtet werden.
1.4.2 Live High – Train Low
Aus der Problematik der reduzierten Trainingsintensität in Höhenlagen hat sich diese Form des Höhentrainings entwickelt. Hier wird auf Höhen von 2.000m und höher gelebt und für ausgewählte Trainingsinhalte diese Höhenlage verlassen, um z.B. hoch intensive Trainingsinhalte umsetzen zu können, bei gleichzeitig hoher mechanischer Belastung (z.B. Laufgeschwindigkeit oder Leistung auf dem Fahrrad). Hier müssen wiederum infrastrukturelle Gegebenheiten vorliegen, um z.B. die Wege auf tiefere Höhenlagen in kurzer Zeit zurücklegen zu können. So wird z.B. häufig während eines Aufenthaltes in St. Moritz das Leichtathletik Stadion in Chiavenna gewählt (ca. 1h Fahrtzeit), um dort kürzere und gleichzeitig intensivere Intervalle zu trainieren. Neben der Nutzung natürlicher Höhenunterschiede wird in diesem Prinzip auch immer häufiger mit zusätzlichem Sauerstoff angereicherte Atemluft während der Belastung zur Verfügung gestellt und somit eine niedrigere Höhenlage simuliert. Es wird dadurch auf gleicher Höhe, aber mit einer höheren Sauerstoffverfügbarkeit trainiert und eine entsprechende Belastungsintensität ermöglicht. Diese Maßnahme wird vor allem in den US-Amerikanischen Höhentrainingszentren praktiziert. Laut aktuellen WADA-Reglement ist dies keine verbotene Methode, könnte aber von einigen Verbänden abgelehnt werden. Der vollständige Wortlauft hierzu lautet:
„Bitte beachten Sie jedoch, dass einige internationale Sportfachverbände im medizinischen Bereich zusätzliche Regularien für die Anwendung von Medizinprodukten und Arzneimitteln haben, die neben den Anti-Doping-Bestimmungen der WADA gegebenenfalls bei internationalen Wettkämpfen gelten können [aktuell die FIS]. Ansprechpartner hierfür sind die jeweiligen internationalen Sportfachverbände.“
1.4.3 Simulierte Höhenexposition
Um den logistischen und zeitlichen Aufwand durch die An- und Abreise in ein Höhentrainingslager möglichst gering zu halten, wurden in der Vergangenheit (erste Verfahren wurden in der DDR entwickelt) Maßnahmen entwickelt, um auf Meereshöhe eine Höhenexposition zu ermöglichen bzw. zu simulieren. Hierzu wurden Höhenkammern, Höhenzelte, Atemmasken (inkl. Hypoxie-Generator) und sogar ganze Höhenhäuser verwendet und erforscht. Hier wird, im Gegensatz zur realen Höhe, eine normobare Hypoxie verwendet. Der Sauerstoffpartialdruck wird also nicht verändert. Dafür wird aber der Sauerstoffanteil in der Atemluft reduziert. Dies geschieht entweder durch Filtration des Sauerstoffes oder durch die Zugabe von Stickstoff. Jedoch haben sich weder in der Forschung, noch in der Praxis, diese Maßnahmen abschließend durchgesetzt. Die Gründe hierfür sind vielfältig: o Zweifel an der effektiven Wirkweise und der zugrunde liegenden Wirkmechanismen – die Studienlage ist hier weiterhin nicht eindeutig o EinschränkungderLebens-undvorallemSchlafqualität(Aufenthaltbegrenztauf geringe Fläche; Lautstärke des Generators) o mangelnde finanzielle Ressourcen (Anschaffungs- oder Mietkosten für Ausstattung) Sollte dennoch der Einsatz einer solchen Maßnahme angedacht werden, sollte man berücksichtigen, dass ein Aufenthalt von >12 Stunden pro Tag, eine stetige Kontrolle der Hypoxiedosis (Einstellung der simulierten Höhe) durch Oxymetrie (Messung der Sauerstoffsättigung z.B. an der Fingerbeere) und eine nicht eingeschränkte Schlafqualität gewährleistet ist. Soll ein Training in intermittierender Höhe (Höhenkammer oder Atemmaske) stattfinden, so sollte dies mindestens zwei Mal pro Woche 30-45 Minuten (in Serien von 10-20 Minuten) im schwellennahen bis hoch intensiven Bereich umfassen und einer Höhe von 2.500 bis 3.000m entsprechen. Gleichzeitig sollte dies an vier bis fünf Tagen mit einem weiteren Aufenthalt von jeweils drei Stunden in simulierter Hypoxie (entsprechend 4.000 bis 5.500m Höhe) ergänzt werden. Diese Maßnahme sollte aber im Vorwege dringend mit Experten abgestimmt werden.
2 Training & Planung
2.1 Phasenmodell
Dieses Kapitel soll eine Orientierung für das Training in der Höhe und die Planung eines Höhentrainingslagers ermöglichen. Grundlegend wird der Zeitraum eines Höhentrainingslagers in vier Phasen unterteilt:
- Akklimatisation
- Haupttrainingsphase
- Erholung und Vorbereitung der Rückkehr auf Meereshöhe
- Rückkehr auf Meereshöhe
Dieses Modell bezieht sich auf die Aufenthalte in realer Höhe (LHTH & LHTL) und muss individuell betrachtet und angepasst werden, indem auf Mess- und Erfahrungswerten der Athleten eine individuelle Strategie festgelegt wird, die im Laufe mehrerer Aufenthalte feinjustiert werden kann.
2.1.1 Akklimatisation
Die unmittelbare Akklimatisation umfasst die ersten drei Tage. In diesen ersten Tagen sollte auf eine ausreichende Erholung, eine Anpassung an die Umgebung und vermehrte Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Häufig ergeben sich neben den höhenspezifischen Veränderungen in der ersten Woche (sieben Tage) auch weitere klimatische Anpassungen, die beachtet werden müssen, deshalb sollte die Trainingsintensität im niedrig intensiven Bereich (bis ca. 2 mmol/l) orientiert sein. Weitere Faktoren wie eine mögliche Zeitumstellung oder die Anreise zum Höhentrainingsort, kann die Anpassungszeit verlängern. Auch Kraft- und Athletiktraining kann eingesetzt werden – hier sollte aber auf angepasste Umfänge und verlängerte Pausenzeiten geachtet werden. Insgesamt ist der Training Load (die Gesamtbelastung des Trainings) als gering einzustufen. Nur wenn diese erste Phase der Anpassung adäquat durchgeführt wird, ist ein nachhaltiger Erfolg eines Höhentrainingslagers zu erzielen.
2.1.2 Haupttrainingsphase
Diese Phase wird in zwei Hauptabschnitte unterteilt: Der erste beginnt nach der ersten Woche (individuell teilweise auch erst ab dem zehnten Tag in der Höhe) und dauert ca. eine weitere Woche. Der zweite Abschnitt umfasst den Zeitraum ab der dritten Woche. Im ersten Abschnitt sollte die Belastungsintensität das maximale Laktat Steady-State (anaerobe Schwelle; bis ca. 4 mmol/l) nicht überschreiten und gleichzeitig kann der Training Load bereits auf ein normales Niveau gesteigert werden. Zusätzlich kann weiterhin Kraft- und Athletiktraining durchgeführt werden. Im zweiten Abschnitt können dann hoch-intensive Trainingsinhalte trainiert und der Umfang auf ein hohes Niveau orientiert werden. Hier gilt es allerdings sehr auf individuelle Reaktionen der Athleten zu reagieren und bei Bedarf längere Regenerationszeiten als auf Meereshöhe einzuplanen.
2.1.3 Erholung und Vorbereitung der Rückkehr auf Meereshöhe
In den letzten beiden Tagen des Höhenaufenthaltes sollte der Training Load reduziert und die Erholung in den Vordergrund gestellt werden. Die anstehende Rückkehr auf Meereshöhe ist als Umstellung für den Körper zu verstehen und erfordert somit einen entsprechenden Erholungszustand.
2.1.4 Rückkehr auf Meereshöhe
Im Vorfeld sollte die Rückkehr auf Meereshöhe genau terminiert werden, vor allem wenn eine Teilnahme an einem Wettkampf unmittelbar nach der Rückkehr geplant ist. Hier empfiehlt es sich, je nach Vorgaben der Wettkampforganisation (Akkreditierung, Briefing etc.) die Rückkehr so nah wie möglich an den Wettkampf zu legen. Nach spätestens drei Tagen nach dem Höhenaufenthalt beginnt die sogenannte „instabile Phase“, in der die Leistungsfähigkeit der Athleten sehr schwankend und somit auch stark geschwächt sein kann. Diese Phase kann individuell bis zu 21 Tagen andauern. Eine Teilnahme an Wettbewerben innerhalb dieses Zeitraumes ist zunächst zu vermeiden. Die genaue individuelle Reaktion des Körpers sollte innerhalb der „instabilen Phase“ möglichst akkurat, nachhaltig und objektiv analysiert werden. Daraus können folgend Schlüsse für die Teilnahme an Wettkämpfen gezogen werden.
2.2 Messparameter
Für die folgenden Messparameter, von denen vor allem Trainingsinhalte und -intensitäten abgeleitet werden sollen, ist es von äußerster Wichtigkeit im Vorfeld eines Höhentrainingslager systematische Baseline-Messungen über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen vorzunehmen. Nur so kann ein entsprechender Vergleich in der Höhe sinnvoll erfolgen.
2.2.1 Während der Intervention
Trainingsparameter:
- Herzfrequenz
- Leistung und/oder Pace
- subjektives Belastungsempfinden
- Laktatkonzentration bei einer definierten Belastung
Hier bietet sich vor allem in der Akklimatisationsphase die Steuerung über die Herzfrequenz an. Bei gleicher Herzfrequenz werden hier im Vergleich zur Meereshöhe niedrige Leistungen und Geschwindigkeiten erreicht. Dies sollte gleichzeitig mit einem vergleichbaren subjektiven Belastungsempfinden einhergehen. Zudem können gezielte Messungen der Laktatkonzentration während einer Belastung oder in Intervallpausen als objektiver Messparameter fungieren.
Trainingsbegleitende Parameter:
- Körpergewicht
- Ruhepuls (morgens) inkl. Sauerstoffsättigung des Blutes in Ruhe (SaO2)
- Herzfrequenzvariabilität(HRV)
- Urinfärbung
- Serum-Harnstoff
- Schlaf (Qualität und Quantität)
- subjektiver Erholungszustand
- Creatinkinase (CK)
Die trainingsbegleitenden Parameter sollten vornehmlich zu Beginn eines jeden Trainingstages vorgenommen werden. So können die Ruheherzfrequenz (inkl. HRV) und die Sauerstoffsättigung unmittelbar nach dem Aufwachen gemessen werden. Hier sollte sich nach wenigen Tagen eine Anpassung – im Sinne einer Erhöhung der Sauerstoffsättigung – zeigen. Ein (Kurz-)Fragebogen zur Schlafqualität und -quantität und an ausgewählten Tagen zum subjektiven Erholungszustand können noch im Bett liegend oder kurz nach dem Aufstehen ausgefüllt werden. So kann der Trainer diese Ergebnisse noch in die akute Trainingsplanung einfließen lassen. Unterstützt werden können diese Entscheidungen durch Messungen von Harnstoff und Creatinkinase (unter standardisierten Bedingungen, z.B. morgens vor dem Frühstück aus dem Kapillarblut des Ohrläppchens), wenn entsprechendes Fachpersonal vor Ort ist.
2.2.2 Pre- und Post Eine Beurteilung über die zielgerichtete Verwendung einer Hypoxiemaßnahme wird letztlich vor allem auf der Grundlage von Wettkampfergebnissen vorgenommen. Gleichzeitig können Laboruntersuchungen auf spezifischen Ebenen bzw. die Feststellung leistungsbestimmender Faktoren Aufschluss darüber geben wie diese Leistungen zustande gekommen sind oder eben nicht. Daraus können in der Folge Ableitungen für die weitere Planung von Trainings- bzw. Interventionsmaßnahmen getroffen werden. Diese Tests sollten mittelfristig ebenfalls eingeplant und in das individuelle Gesamtkonzept integriert werden. So können neben der reinen Wettkampfleistung zusätzlich im Labor z.B. die maximale Sauerstoffaufnahme, die Laktatkinetik (resultierend aus dem aeroben und aneroben Stoffwechsel) und die Bewegungsökonomie gemessen werden, da hier Anpassungen durch eine Höhenexposition zu erwarten sind. Hinzu kommen hämatologische Parameter wie die absolute Menge des Hämoglobins und der Erythrozyten. Konzentrationen, die immer nur den relativen Anteil eines Parameters angeben, können zu missverständlichen Folgerungen führen und sollten somit nur partiell mit erhoben werden – als Beispiele hierfür können die relative Hämoglobin- und Erythrozyten-Konzentration genannt werden. Auch der Füllstand des Eisenspeichers (Ferritinkonzentration) sollte vor und nach einer entsprechenden Maßnahme kontrolliert werden.
2.3 Ernährung
Auf Grund der reduzierten Luftdichte und Luftfeuchtigkeit in der Höhe, sollte besonders zu Beginn einer Höhenmaßnahme auf eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, um eine Erhöhung der Infektanfälligkeit zu vermeiden und die hämatologische Viskosität aufrecht zu erhalten. Zudem ist in der Höhe die Aktivierung der Glykolyse – also des Kohlenhydratstoffwechsels – erhöht, woraus ein erhöhter Bedarf an Kohlenhydraten in der Basisernährung abgeleitet werden kann. Es sollte auf Supplemente verzichtet werden, die die Puffersysteme des Körpers verbessern können. Hierzu zählt auf hämatologischer Ebene Bikarbonat und auf zellulärer Ebene Beta-Alanin. Auch auf potentiell leistungssteigernde Substanzen wir Rote-Beete Extrakt oder Saft sollte verzichtet werden, weil diese Substanzen eine Reizanpassung an die Höhenlage mindern können. Eine allgemeine, „blinde“ Supplementation von Eisen kann ebenfalls nicht empfohlen, sondern der Bedarf stets in Abstimmung mit dem Arzt geklärt werden. Eine entsprechende Analyse sollte mindestens sechs Wochen vor Beginn der Maßnahme stattfinden, da nur so notfalls eine Supplementation noch rechtzeitig durchgeführt werden kann.
Zusammenfassung für die Praxis
Ein Höhentrainingslager bringt einen erhöhten planerischen und logistischen Aufwand mit sich. Grundsätzlich sollte man nicht nur deshalb, Risiken und Potentiale einer etwaigen Maßnahme individuell genau abwägen. Die infrastrukturellen Voraussetzungen und der Transport vor Ort (insb. bei LHTL) sollten im Vorfeld genau recherchiert werden. Zusätzliches Personal zur Betreuung der Athleten vor Ort sollte man einplanen und bei Bedarf temporär einsetzen– besonders in der Phase der Akklimatisation. Langfristig sollten auf Basis von Wettkampf-, Laborergebnissen (Interventionsdiagnostik von leistungsbestimmenden und medizinischen Parametern) und Trainingsparametern während des Höhenaufenthaltes individuelle Schemata der Planung und Steuerung angelegt werden, um eine optimale Gestaltung folgender Höhenmaßnahmen zu ermöglichen. Somit kann die Respondquote erhöht und eine Entscheidung für oder gegen ein Höhentrainingslager getroffen werden. Die Gesundheit der Athleten sollte stets im Vordergrund stehen und somit ist eine Teilnahme an einem Höhentrainingslager immer von der Zustimmung der Arztes abhängig. Die Rückkehr und somit die zeitliche Planung einer entsprechenden Maßnahme muss in die Gesamtplanung integriert sein, damit die Anpassungsvorgänge entsprechend beendet sind. Höchste Sensibilität muss abschließend der Eingewöhnung in der Höhe gegeben sein. Ein „one size fits all“ Ansatz darf in der Höhe nicht eingesetzt werden!
Quellenverzeichnis
Burtscher, M., Gatterer, H., Faulhaber, M., Gerstgrasser, W., & Schenk, K. (2010). Effects of intermittent hypoxia on running economy. International Journal of Sports Medicine, 31(9), 644–650.
Chapman, R. F., Laymon Stickford, A. S., Lundby, C., & Levine, B. D. (2013). Timing of return from altitude training for optimal sea level performance. Journal of Applied Physiology, 116(7), 837–843.
Flaherty, G., O’Connor, R., & Johnston, N. (2016). Altitude training for elite endurance athletes: A review for the travel medicine practitioner. Travel Medicine and Infectious Disease, 14(3), 200–211. https://doi.org/10.1016/j.tmaid.2016.03.015
Heinicke, K., Heinicke, I., Schmidt, W., & Wolfarth, B. (2005). A three-week traditional altitude training increases hemoglobin mass and red cell volume in elite biathlon athletes. International Journal of Sports Medicine, 26(5), 350–355.
Hoppeler, H., Klossner, S., & Vogt, M. (2010). Training in hypoxia and its effects on skeletal muscle tissue. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 18, 38–49.
Lundby, C., & Robach, P. (2016). Does ‘altitude training’ increase exercise performance in elite athletes? Experimental Physiology, 101(7), 783–788.
Manimmanakorn A, H. M. (2015). Live High-Train Low Altitude Training: Responders and Non- Responders. Journal of Athletic Enhancement, 04(02), 4–11.
Millet, G. P., Roels, B., Schmitt, L., Woorons, X., & Richalet, J. P. (2010). Combining hypoxic methods for peak performance. Sports Medicine (Auckland, N.Z.), 40(1), 1–25.
Saunders, P. U., Pyne, D. B., & Gore, C. J. (2009). Endurance Training at Altitude. High Altitude Medicine & Biology, 10(2), 135–148.
Wilber, R. L. (2011). Application of altitude/hypoxic training by elite athletes. Journal of Human Sport and Exercise, 6, 271–286.