Wings for Life Run – Ein unkonventioneller Weg zur Bestleistung im Ultralauf 

Max Rahm, Red Bull Wings For Life Run Gewinner Deutschland (64,8km)



Wie startet eine neue Zusammenarbeit zwischen Coach und Athlet? 
Mit dem Sieg beim Wings for Life Run in Deutschland und Platz fünf in der Welt habe weder ich noch mein Coach Dr. Sebastian Roesler gerechnet. Seit Januar arbeiten wir nun zusammen, mit dem langfristigen Ziel sich in den Ultradistanzen und im Ultratrailrunning zu etablieren.

Die zwischenmenschliche Ebene ist das A und O in einer Coach-Athleten-Beziehung. Vor dem Beginn sollten daher einige Telefonate oder Videoanrufe stattfinden. Das Erstellen des Trainingsplans ist zwar wichtig, aber der mentale und emotionale Support ist mindestens genauso bedeutend. Besonders für mich, da Ultralauf stark von mentalen Herausforderungen geprägt ist, war dies ein entscheidender Faktor bei der Auswahl meines Trainers. Außerdem war mir die Erfahrung im Multisport (Triathlon) wichtig, da ich neben dem Laufen auch Radeinheiten als Hauptbestandteil meines Trainings integrieren wollte. Der Hintergrund dafür ist, dass im Ultralauf Distanzen und Zeiten erreicht werden, die nur schwer ausschließlich durch Lauftraining erreicht werden können, ohne ein erhöhtes Verletzungsrisiko einzugehen. Wenn man den passenden Trainer gefunden hat, ist es wichtig, diesem zu 100 % zu vertrauen. 

 

Wie haben wir die Monate von Januar bis Mai geplant? 

Da ich aus einer längeren Trainingspause kam, war es wichtig erst einmal eine Grundbasis zu schaffen, d.h. viel Grundlage und subTHR Training. Das Finden der richtigen Intensität, um dem Körper die passenden Reize zu geben, ist gerade bei Wiedereinstieg und Trainerwechsel eine erste Hürde. Um diese schnellstmöglich zu beseitigen war ich Ende Januar bei ProAthletes in Köln zur Leistungsdiagnostik, um ein Abbild meines metabolischen Profils zu bekommen. Für ein Rennen wie dem Wings for Life Run ist vor allem die Pace beim max. Laktat Gleichgewicht und die Laufökonomie zu beachten. Zeil ist es in der Pace im subTHR Bereich so ökonomisch wie möglich zu werden, also so wenig Sauerstoff und Energie zu verbrauchen. 

Leistungsdiagnostik, 01/24





Durch den Monat Februar hindurch habe ich im Laufbereich hauptsächlich Aktivitäten im LIT-Bereich (Low Intensity Training) und im subTHR-Bereich (unterhalb der anaeroben Schwelle) absolviert. Um den Körper vor Überlastung zu schützen und ihn an die Intensität zu gewöhnen, bauten die Intervalleinheiten schrittweise aufeinander auf. In Woche 7 bestanden sie beispielsweise aus 12 Intervallen à 3 Minuten und einem langen Lauf am Sonntag von 1 Stunde LIT plus 20 Minuten subTHR. In der folgenden Woche wurde dies auf 12 Intervalle à 4 Minuten und 1 Stunde LIT plus 30 Minuten subTHR gesteigert. Der Grund, den langen Lauf nicht in einem gleichmäßigen, lockeren Tempo durchzuführen, besteht darin, die Ermüdung in der späteren Rennphase zu simulieren und den Körper an diese Situation zu adaptieren.


Trainingswoche, KW 7+8/24



 

 

Der Höhepunkt des subTHR-Blocks war meine letzte und einzige große Einheit vor meinem ersten Rennen im Jahr 2024, dem Marathon Deutsche Weinstraße. Diese Einheit war auch mit Abstand die längste vor dem WFL Run (abgesehen vom Marathonwettkampf). Geplant war eine Stunde LIT plus 5×10 Minuten subTHR-Intervalle. In dieser Einheit haben wir zusätzlich zwei Laktatkontrollen durchgeführt, nach dem 2. und dem 5. Intervall. Hierbei habe ich mithilfe einer Einmallanzette einen Bluttropfen aus meinem Finger entnommen und mit einem mobilen Laktatmessgerät die Werte ermittelt. Beide Werte lagen unterhalb des Schwellenwerts von 3,6 mmol/l. Nach dem 2. Intervall betrug der Messwert 1,9 mmol/l und nach dem 5. Intervall 1,6 mmol/l. Durch die Laktatmessung kann der Trainer die Belastung des Athleten besser einschätzen und der Athlet kann die Intensität gegebenenfalls während der Einheit anpassen, sowohl nach oben als auch nach unten.



Training in MATS – 1:00h LIT +5x10min subTHR




Das Learning aus dem ersten Wettkampf für Coach und Athlet?
Die Belastung eines Marathons auf den Körper sollte nicht unterschätzt werden und variiert stark von Athlet zu Athlet. Dank neuer Schuhtechnologien sind heutzutage schnellere Regenerationszeiten möglich, da die Muskulatur hauptsächlich durch Schaumstoffmaterialien und die Dicke der Sohlen geschützt wird. Dennoch sollte die Streckentopografie und das subjektive Empfinden des Athleten berücksichtigt werden. Die Lehren, die wir aus meinem Wettkampf gezogen haben, zeigen, dass wir einen derart umfangreichen Wettkampf nicht mehr ohne spezifische Vorbereitung in meinen Jahresplan einbauen werden. Die Strecke wies knappe 500 positive und negative Höhenmeter auf, und meine Muskulatur war auf diese Belastung nicht vorbereitet, was zu Krämpfen ab Kilometer 25 führte. Krämpfe können die grundlegenden Strukturen der Muskulatur schädigen und zu einer längeren Erholungszeit führen, was sich letztendlich negativ auf das Training auswirkt.


MATS Score in einer Wochenübersicht – KW 15/24




Betrachtet man den MATS-Score, eine Metrik, die das subjektive Empfinden und die Anstrengung unter Berücksichtigung von Intensität und Dauer der Einheit abbildet, so zeigt sich anhand der orangefarbenen Markierung, dass ich mich während einer gesamten Woche im Training nicht gut gefühlt habe. Dies spiegelt sich auch in körpereigenen Werten wie der HRV (Herzfrequenzvariabilität) wider, die anzeigt, wie ermüdet der Körper ist. Bei genauer Betrachtung sinkt die HRV sogar bis zum Ende der Woche, weshalb auch in der darauffolgenden Woche das Training nicht in höchster Qualität und Intensität durchgeführt werden kann. Aus diesen Gründen sollte ein Wettkampf sorgfältig geplant und auf die Zeichen des Körpers geachtet werden.


HRV Daten Post-Marathon Deustche Weinstraße




Gab es eine spezifische Vorbereitung auf den WFL Run?

Grundsätzlich wurde das Training nicht speziell auf den WFL Run ausgerichtet. Der wöchentliche Umfang über die drei Monate von Februar bis Mai blieb konstant im Bereich von 14-16 Stunden, was im Ultratraining am unteren Ende liegt. Dies umfasste alle Einheiten in Laufen, Radfahren und Athletik. Die Verteilung lag bei ungefähr 60 % Radfahren und 40 % Laufen (nach Dauer). Die längsten Trainingseinheiten im Laufen vor dem WFL betrugen maximal etwa 25 km (1:30 Stunden). Auch Trainingstage mit zwei Laufeinheiten wurden vollständig vermieden, und ein vollständiger Ruhetag wurde in jede Woche integriert. Das Training erstreckte sich also über 6 Trainingstage von Dienstag bis Sonntag. Eine genaue Analyse der Radeinheiten zeigt, dass der Umfang maximal 2:30 Stunden betrug. Das Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung ist ein schmaler Grat, und der Umfang kann nicht von einem Tag auf den anderen gesteigert werden. Dies geschieht nachhaltig über Monate und Jahre. Klassische Radeinheiten bestanden aus 1:30 Stunden bei FatMax, um meine Energieverbrennung zu optimieren, oder FatMax-Pyramiden.


Radtraining- FatMax



Radtraining -FatMax



Welche Rolle hat die Ernährung in der Vorbereitung auf den Wettkampf gespielt?

Im Langstreckenbereich ist die Nahrungsaufnahme während des Trainings und des Wettkampfs entscheidend. Eine Energiezufuhr während der Einheiten verbessert nicht nur die Qualität des Trainings, sondern verringert auch die Regenerationszeiten des Körpers. Hierfür erhielt ich genaue Vorgaben für jede Einheit, die ich penibel einhielt, auch im Hinblick auf das „Train the Gut“.


MATS App – Detaillierte Ernährungsangaben an einer Trainingseinheit



Eine entscheidende Rolle für das Rennen in München spielte unter anderem die Kohlenhydratlade-Phase. Diese oft unterschätzte Maßnahme wirkt sich erheblich auf die Leistung am Renntag aus. Die Vorgabe war, 9 g pro kg Körpergewicht über einen Zeitraum von 2 Tagen vor dem Renntag zuzuführen. Für mein Körpergewicht von etwa 62 kg entsprach dies 558 g Kohlenhydraten, was bis auf 12 g/kg Körpergewicht ausgebaut werden kann.


Pre-Race Ernährungsplan




Welches „einfache“ Learning nehme ich aus der Vorbereitung und dem Resultat mit?
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für ein erfolgreiches Ultrarennen nicht zwangsläufig extreme Laufumfänge erforderlich sind. Durch die Steigerung des Trainingsumfangs über Radfahren und ein konstantes Trainingsvolumen sind Ultrawettkämpfe ohne Abstriche simulierbar, verbunden mit einem verringerten Verletzungsrisiko.





 

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